Die 9b beim Amtsgericht
Amtsgericht Weinheim, Ehretstr. 11 - klingt nicht gerade nach L.A. Law oder Boston Legal, nach Staranwälten und spektakulären Strafrechtsfällen. Also stand der 9b ein langweiliger Vormittag bevor?
Nicht TV-schillernd aber alles andere als langweilig war der Fall "Dominik Brunner", den Herr Lindner als Vorbereitung für diesen Ausflug mit der Klasse anhand der Gerichtsakten näher untersucht hatte. Vorausgegangen war die Unterrichtseinheit "Jugend und Rechtsprechung", in der sich die 9b mit Recht im Allgemeinen und Jugendrecht im Besonderen befasst hatte.
Dann also der Fall des 60-jährigen Dominik Brunner, der zu trauriger Berühmtheit gelangte, als er an einem Münchener S-Bahnhof gegen zwei jugendliche Angreifer vorging, die zuvor vier Schüler bedroht hatten. Die Jugendlichen reagierten mit heftigen Tritten gegen Kopf und Körper des Managers, der kurz darauf auch aufgrund einer bestehenden Herzerkrankung im Krankenhaus starb.
Die Neuntklässler durften sich in diesem Fall in die Rolle des Richters begeben und versuchen, ein erstes Urteil zu fällen. Anhand weiterführender Hintergrundinformationen reflektierten die Jungjuristen über dieses Urteil und nahmen immer wieder Änderungen an ihrem Verdikt vor, bis es sich in Einklang mit all ihren neu gewonnenen Kenntnissen befand.
Es folgte der Ausflug zum Amtsgericht. Es würde bestimmt ein Abstieg in die Niederungen provinzieller Rechtsprechung werden! Doch es kam anders: Zunächst einmal der durchaus pikante Fall, in dem ein Mann sowohl von seiner Exfrau als auch von seiner Exfreundin verklagt worden war. Die Exgattin warf ihm das mutwillige Zerkratzen ihres Autos vor (Schmunzeln erlaubt). Ihre Nachfolgerin hatte dem Angklagten deutlich Schwerwiegenderes anzukreiden: Körperverletzung lautete ihr Vorwurf; ein Tathergang, bei dem niemand mehr schmunzelte.
Was nun folgte, hatte nichts mit Hollywood aber viel mit deutschem Gerichtsalltag zu tun. Der Anwalt der Verteidigung zündete ein Feuerwerk der Unterbrechungen - in den Augen unserer Laienzuschauer eine Aneinanderreihung juristischer Spitzfindigkeiten und durch die entstehenden Pausen für alle Anwesenden auch sehr anstrengend. Aber das Recht heiligte des Anwalts Mittel: Am Ende wurde ein Vergleich geschlossen, der den Angeklagten zwar Geld kostete, aber ihm einen Eintrag ins Vorstrafenregister ersparte. Eine Fortsetzung des Verfahrens hätte für die Exfreundin erhebliche Strapazen sowohl körperlicher als auch - und dies war für die Anklage ausschlaggebend - seelischer Art bedeutet.
Für unsere Neuntklässler war dieser Ausgang sicherlich nicht befriedigend. Aber was ein trockener Vormittag hätte werden können, entpuppte sich als sehr eindrücklich und ein Lehrstück in Sachen Recht und Gerechtigkeit.
Vielen Dank, Herr Lindner, für diese Erfahrung!