Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein gängiges und bewährtes Mittel, mit dem Verbrechen, die vor Gericht landen, auf kommunikativem Weg aufgearbeitet werden können. Dazu setzen sich Täter und Opfer unter der Leitung einer vermittelnden Person zusammen und versuchen, ihren Konflikt außergerichtlich im gemeinsamen Gespräch zu lösen.
In der 10b zeigte sich im Zuge der Beschäftigung mit „Die Räuber", dass das Format „Täter-Opfer-Ausgleich" auch im Deutschunterricht einen Platz beanspruchen darf. Zur Verhandlung stand ein Konflikt dramatischen Ausmaßes, mit gleich mehreren Figuren: Neben zwei Mediatoren, die kompe-tent durch das Gespräch führten, entsendeten die einzelnen Schülergruppen die wichtigsten Figuren aus Schillers Schauspiel in die Runde: die ungleichen Brüder Franz und Karl von Moor, ihren Vater Maximilian und die von Franz verfolgte und von ihrem Geliebten Karl enttäuschte Amalia. Diese vier in ein konstruktives und zugleich authentisches Gespräch bringen? Strukturiert? Lösungsorientiert? Eigentlich undenkbar, kaum zu bewältigen. Aber: Die Mediatoren fanden einen Weg, alle Teilnehmenden zu Wort kommen zu lassen. Sie fragten die durch überzeugend spielende Schülerinnen und Schüler verkörperten Figuren nach Erwartungen und Lösungswegen, hakten nach, zeigten konstruktiv Möglichkeiten auf und leiteten das Gespräch so strukturiert und zielführend, dass am Ende tatsächlich eine Versöhnung denkbar erschien. Dabei schlugen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht etwa den leichtesten Weg ein, sondern brachten glaubhaft Enttäuschungen, Schwierigkeiten, Hindernisse zur Sprache und fanden gerade so zu einem authentischen, konstruktiven Dialog.
Eine Aussprache zwischen den verfeindeten Brüdern Karl und Franz? Eine Versöhnung mit dem Vater Maximilian? Eine neue Chance für das Paar Karl – Amalia? Das hätte Schiller sich kaum träumen lassen. Wir konnten es hingegen direkt beobachten. Ein dramatischer Konflikt konstruktiv gedacht – und gestaltet.